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Müssen Unternehmen wachsen, um zu überleben?

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Die Grenzen des Wachstums

Als Mitglied einer Generation, die mit „Die Grenzen des Wachstums“ groß geworden ist habe ich eine Menge Skepsis gegenüber der Notwendigkeit oder Nützlichkeit von Wirtschaftswachstum entwickelt. Bei oose hatten wir vielleicht auch deswegen lange Zeit keine nennenswerte Wachstumsabsicht und sind nur sehr langsam gewachsen.

Qualitatives vs. quantitatives Wachstum

Vor einigen Jahren, Mitte der 2000-er Jahre, wuchs bei mir die Einsicht, dass es bei Wachstum vielleicht nicht nur um Geld geht und es noch andere Gründe für Wachstum gibt. Einige Mitarbeiter hatten neue Themen- und Geschäftsbereiche oder Arbeitsformen für sich entdeckt und wollten sich diesen widmen. Diese brachten zunächst noch keinen Gewinn und reduzierten zusätzlich die Kapazitäten und damit Erträge der laufenden Bereiche. Also stellten wir neue Mitarbeiter für die Übernahme der laufenden Geschäfte ein, damit sich vorhandene Mitarbeiter neuen Aufgaben zuwenden konnten. Auch gegenüber demografische Entwicklungen, steigenden Ansprüchen der Mitarbeiter usw. schien Wachstum ein naheliegendes Mittel. Zu dieser Zeit entwickelte ich die Überzeugung, dass vielleicht nicht unbedingt Wachstum, aber Veränderung allgemein wichtig sein könnte. Wir haben auch viel über die Unterscheidung von quantitativem und qualitativem Wachstum gesprochen.

Wachstum, Erneuerung, Anpassung

Wachstum scheint etwas natürliches zu sein – ein Phänomen, dass wir auch bei allen nicht-menschlichen Lebensformen auf unserem Planeten mehr oder weniger beobachten. Aus einer systemtheoretischen Perspektive betrachtet scheint es aber weniger um Wachstum, als vielmehr um Anpassung zu gehen. Sowohl Individuen als auch Spezien vollbringen permanente Anpassungsleistungen. Die Zellen in unserem Körper ändern sich ständig, die Moleküle aus denen wir bestehen, werden ständig ausgetauscht – gerade damit wir weiter existieren können, weil sonst Verletzungen und Alterung unmittelbar bedrohlich würden. Auch Organisationen sind durch Fluktuation gekennzeichnet: Mitarbeiter kommen und gehen und die Möglichkeit hierzu hält das Unternehmen stabil. Lebewesen und Organisationen reproduzieren und erneuern ihre Struktur permanent, was schon dann wichtig ist, wenn sich in der Umgebung wenig ändert. Selbst wenn sich Märkte, Produkte und Geschäftsmodelle nicht ändern, kommt es intern zu Verschleiß oder dem Ausfall einzelner Strukturelemente. Maschinen gehen kaputt, Mitarbeiter in Rente etc.

Dynamik

Unsere Umwelt ist aber dynamisch wie nie. Marktliberalisierungen, Computer, Internet und andere Technologien ermöglichen oder provozieren diese Dynamik. Hinzu kommt noch, dass wir uns gerade in einer Zeitenwende befinden (->Netzwerkgesellschaft) und sich die Spielregeln insgesamt ändern.

Unsere Anpassungsfähigkeit als Unternehmen ebenso wie als Individuum ist also mehr gefordert denn je. Für den Erfolg, auch den wirtschaftlich nachhaltigen Erfolg, ist die Anpassungsgeschwindigkeit ein wichtiger Indikator geworden. Die schiere Unternehmensgröße bringt hier nicht mehr viel. Immer mehr große Unternehmen gehen unter und ganze auf Größe ausgerichtete Branchen verlieren ihr Fundament. Große Unternehmen verfügen über mehr Ressourcen (z.B. Geld, Mitarbeiterqualifikationen), das kann manchmal hilfreich sein, ist häufig aber auch eine Last, weil andere Ressourcen gerade relevanter sind.

Anpassungsmaximierung statt Profitmaximierung

Anders als nach der 1. und 2. industriellen Revolution geht jetzt nicht mehr darum, (quantitativ) zu wachsen, sondern neue Mechanismen und Prozesse in Unternehmen auszuprobieren, auszuprägen und einzuüben, die unsere Anpassungsgeschwindigkeit erhöhen. Anpassungsmaximierung statt Profitmaximierung. In der Systemtheorie sind diese Mechanismen in sehr abstrakter Weise formuliert und reflektiert, weswegen die Beschäftigung damit hilfreich ist. Entscheidend ist dann aber, dass eine Organisation die für sie spezifisch passenden konkreten Mechanismen und Prozesse ausbildet und noch genug Substanz und Rücklagen hat, um Lernen und die Fehler bezahlen zu können. Ab einem bestimmten Zeitpunkt kann es dann sinnvoller sein, die Organisation aufzugeben und etwas ganz Neues entstehen zu lassen.

Kennzahlen lenken Aufmerksamkeit

Die Fokussierung auf Umsatz-, Ergebnis- und Mitarbeiterzahlen und deren relative und absolute Veränderungen in den verschiedenen Geschäftsbereichen ist wahrscheinlich weiterhin nützlich – wenn das aber alles ist, offenbart dies einen blinden Fleck. Andererseits haben wir wenig Erfahrung mit Kennzahlen zu Anpassungsgeschwindigkeit. Einige Unternehmen messen ihre Innovationskraft anhand der Anzahl neuer Produkte pro Zeitraum, neuer Patente u.Ä. Ich glaube, das ist zu simpel, nicht komplex genug. Die Unternehmensumwelt wird immer komplexer und Organisationen müssen hierfür eine angemessene und passende innere Komplexität entgegensetzen. Wo früher eine unidirektionale Anweisung ausreichte, benötigen wir heute immer mehr bspw. direkte Kommunikation und Vertrauen zwischen den Beteiligten. Außerdem steigen Diversität und Dezentralität und rütteln an Vereinheitlichungen, Normierungen und Zentralen. Was und wie wollen wir messen?

Also:

  • Welche Mechanismen und Prozesse kennen Sie oder können Sie sich vorstellen, um die Anpassungsgeschwindigkeit Ihrer Organisation zu steigern?
  • Welche Kennzahlen und Messverfahren können Sie sich vorstellen, um die Aufmerksamkeit in Ihrer Organisation mehr auf die Anpassungsgeschwindigkeit zu lenken?