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Wie müssen Organisationen (heute) im Kontext einer nächsten – vom Computer geprägten Gesellschaft – gedacht, entworfen, beraten und letztendlich auch gemanagt und geführt werden?

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Diese Frage wurde mir heute im Rahmen meiner Teilnahme an einer eher soziologisch und systemtheoretisch geprägten Konferenz gestellt. Und hier versuche ich sie mal zu beantworten.

Zunächst einmal muss ich die Frage modifizieren. "Vom Computer geprägten Gesellschaft" halte ich für zu kurz gegriffen. Computer gab es schon vor 40 Jahren, aber selbst wenn ich den PC als Referenz ansetze, fehlt mir der disruptive Aspekt der kommunikativen Vernetzung. Also: nicht die Prägung durch den Computer halte ich für relevant, sondern die durch das Internet ermöglichte neue Kommunikationsqualität und -quantität der Menschen.

Und dabei geht es auch schon lange nicht mehr um die entstandenen Möglichkeiten, sondern darum, welche Änderungen im Kommunikationsverhalten von Menschen in Gang gekommen sind. Da die gestellte Frage auf Organisationen abzielt, betrachte ich besonders die Kommunikation von Menschen in Organisationen, womit derzeit vor allen tradtionelle Unternehmensorganisationen gemeint sein dürften.

In der nächsten Gesellschaft gibt es diese tradtionellen Unternehmensorganisationen nicht mehr, weshalb ich mir die Frage stelle, wie denn die nächste Organisation aussieht, die da zu führen, beraten oder managen ist?

Die unter dem Begriff "Social Media" vereinten Kommunikationsformen verwischen die Grenzen der Unternehmensorganisation. Ist das LinkedIn-Profil, der Xing-Diskussionsbeitrag oder der letzte Tweet der Organisation zuzurechnen, für die die Person gerade primär arbeitet, der Privatperson oder der Community der genutzten Plattform? Ebenso gibt es Beispiele, wie Menschen beginnen, für Organisationen zu kommunizieren, denen sie bislang nicht angehörten, und sich damit aber faktisch zum sozialen Mitglied der gekaperten Organisation machen. Die bislang gewohnte Identität von Unternehmensorganisationen verschwimmt.

Die nächsten Organisationen sind also "fluide Organisationen".

Das bisherige Verständnis von Selbstorganisation und Eigendynamik erhält neue interessante Facetten.

Soweit meine Gedanken zum Anpassungsdruck für die von der alten Gesellschaft mitgebrachten Organisationen. Die in der neuen Gesellschaft neu entstehenden Organisationen unterliegen diesem Anpassungsdruck nicht, sie sind von vorn herein anders konstituiert. Beispiele hierfür finde ich in den Betahäusern und Coworking-Spaces - die dort organisierten Menschen sind Co-Architekten der neuen Gesellschaft und Arbeitswelt. Betahäuser und Coworking-Spaces sind in diesem Sinne Metaorganisationen oder Metakontexte für konkrete Unternehmensorganisationen. Sie bilden den notwendigen Werterahmen, denn die fluiden Organisationen brauchen bestimmte Wertequalitäten (Offenheit, Transparenz, Respekt, Zeithoheit u.Ä.).

Angelehnt an meinen Blogbeitrag "(Sozial-)Netzwerkmanagement" definiere ich jetzt mein Verständnis von Netzwerken nochmal, weil hier für mich wichtige Unterscheidungen stecken.

Ein Netzwerk ist eine Organisation, ein soziales System, das dadurch gekennzeichnet ist, dass sich Teile ihrer Mitglieder immer wieder temporär und in variierenden Zusammensetzungen zu bestimmten gemeinsamen Handlungen zusammenfinden. Sie treten wiederkehrend aus stabilen, aber latenten (schlafenden) in aktive Beziehungen (zum Beispiel Projekte) zueinander ein, mit denen sie wiederum ihre Beziehungen aktualisieren. Ein Netzwerk ist nicht nur eine Liste, eine Sammlung von eigenständigen, unabhängigen Einzelpartnern, die bedarfsweise für ein gemeinsames Vorhaben zusammenkommen. Vielmehr kennen sie bereits etwas verbindendes voneinander. Vielleicht standen sie bereits einmal in einer anderen, ähnlichen Beziehung oder sie fühlen sich durch gemeinsame Werte miteinander verbunden. Coworking-Spaces sind bspw. ein Rahmen, um diese gemeinsamen Werte auszuloten und zu verhandeln.

Netzwerke haben zunächst nur generische Ziele, nämlich Möglichkeiten für konkrete Vorhaben bereitzuhalten. Zum einen erweitert ein Netzwerk die eigenen Kernkompetenzen; Netzwerkpartner können auf komplexe Anforderungen inhaltlich fundierter reagieren, weil sie in ihrem Netzwerk entsprechende Spezialisten kennen. Zum anderen erhöht das Netzwerk die Reaktionsgeschwindigkeit. Ein Netzwerkpartner findet nicht nur einen entsprechenden Spezialisten im Netzwerk, durch die belastbaren und vertrauensvollen Beziehungen finden sie auch schneller, flexibler und unkompliziert zusammen. Viele der heutigen Netzwerkstrukturen in der Wirtschaft, das zeigen Studien in Deutschland, Österreich und der Schweiz, kommen mit extrem wenig Formalismen aus. Die Rahmenbedingungen und Konditionen der Kooperation, die Berücksichtigung der verschiedenen Interessen müssen nicht jedes Mal neu ausgehandelt werden.

Dennoch sind Netzwerke bestimmt durch die Austauschbarkeit ihrer Mitglieder während der Bereitschaftszeit. Und selbst während der aktiven Kooperation ist ihre Position nie ganz sicher. Für die Individuen ist es wichtiger und zugleich schwieriger, ihre Identität zu definieren. Unternehmen, Projekte, Rollen lösen sich zu losen Kopplungen auf, zu Netzwerken, zu Möglichkeitsformen auf. Immer auf der Suche nach der nächsten Möglichkeit wird (wie zwei Seiten eine Medaille) für die einen die Virtualität, für die anderen die Haltlosigkeit das bestimmende Grundgefühl. Deswegen stellen Coworking-Spaces auch eine Heimat, ein Rückzugsraum und gleichzeitig einen neuen Startpunkt für das nächste Geschäft dar. Selektionen sind erwartete, ersehnte Störungen.

Und um noch mal auf die aus der alten Gesellschaft mitgebrachten Organisationen zurück zu kommen: Karriere hieß bis vor Kurzem, stufenweise mehr Verantwortung, mehr Status, mehr Geld, mehr Möglichkeiten zu erwerben. In einer Gesellschaft, in der die Möglichkeiten eine unüberschaubar große Ressource darstellen, wird die Kopplung dieser Steigerungen an die Karriere unattraktiv. Als Folge gelingt es Unternehmen immer weniger, ihre Karrierepfade vorzugeben. Auch sie bzw. ihre Anwendungsfälle lösen sich in der Turbulenz auf. Beginnend mit den begehrtesten Kräften verweigern sich immer mehr arbeitende Menschen den Karriereideen der Unternehmen und fühlen sich besser mit den eigenen Entscheidungen, die auch mal zu weniger Geld, weniger Verantwortung etc. und zu mehr Unsicherheit über ihre Zukunft, aber zu der passenden Gegenwart in der neuen Gesellschaft führen.

Wir Individuen stehen vor der Herausforderung, uns zu trauen, die verfügbaren Ressourcen und Möglichkeiten zu erkennen.