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Digitalisierung: Chancen statt Horrorszenarien

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In letzter Zeit fällt mir vermehrt auf, wie häufig die Digitalisierung als Schreckgespenst wahrgenommen wird. Unabhängig davon, ob ich auf Digitalisierungskonferenzen unterwegs bin, Talkshows im TV verfolge, Artikel in Fachzeitschriften lese oder Diskussionen im Freundes- und Familienkreis mitbekomme – die Botschaft ist häufig: „Oh je, was kommt da bloß auf uns zu?“

Die diffuse Sorge davor, seine Tätigkeit an einen Roboter zu verlieren, autonomen Fahrzeugen zu vertrauen, die so programmiert seien, dass sie einen Rentner statt fünf Kinder überfahren. Die Horrorszenarien münden in der fatalistischen Fantasie, dass in naher Zukunft selbstlernende Maschinen die Weltherrschaft übernehmen und das zum Ende der Menschheit führen wird. Was sich anhört wie das Drehbuch eines Roland-Emmerich-Endzeit-Hollywoodstreifens kann man jetzt ins Lächerliche ziehen oder sich die Fakten einfach genauer anschauen.

Dazu fiel mir kürzlich ein differenzierterer Artikel in die Hände. Darin wurde der israelische Historiker Yuval Noah Harari zu diesem Thema interviewt. Harari zeichnete ein sogenanntes Worst- und ein Best-Case-Szenario im Zeitalter nach der Digitalisierung: Hier die wesentlichen Aussagen zu diesen Szenarien:

„Das Worst-Case-Szenario…

könnte vielleicht sein, dass die Menschheit sich in verschiedene biologische Kasten aufspaltet. Künstliche Intelligenz wird hunderte Millionen Menschen aus dem Arbeitsmarkt drängen und eine neue Klasse von Nutzlosen erzeugen. Menschen verlieren ihren ökonomischen Wert und damit ihre politische Macht. Gleichzeitig ermöglichen es Biotechnologien, eine kleine Elite in Supermenschen zu verwandeln. Revolte und Widerstand sind aufgrund eines totalen Überwachungsregimes nahezu unmöglich…“

„Das Best-Case-Szenario…

bestünde darin, dass neue Technologien alle Menschen von der Last harter Arbeit und von Krankheiten befreien und es jedem erlauben, sein volles Potenzial zu erforschen und zu entwickeln… Fortgeschrittene Überwachungstechnologie wird nicht dafür eingesetzt, um Bürger zu überwachen, sondern die Regierung – was sicherstellt, dass es keine Korruption gibt…“

Quelle: „Was ist Ihre Vision, Herr Harari?“, Luca Caracciolo, t3n digital pioneers, 54. Ausgabe, Q1 2019

Mir gefiel auf Anhieb, zwei Perspektiven zu beschreiben, um in dieser großen Digitalisierungs-Fantasie auch die Chancen zu betrachten. Und Hararis Idee von einer Gesellschaft, in der Menschen das tun, was ihnen am meisten liegt und nicht durch harte körperliche Arbeit geknechtet werden, gleichzeitig mit Hilfe von Biotechnologie gesünder leben können und in der das bedingungslose Grundeinkommen zur Normalität gehören könnte, überzeugte mich. Man kann - und sollte - die Digitalisierung aus vielen verschiedenen Perspektiven heraus beleuchten. Daraus ergeben sich ganz neue Fragen: Wie ist die neue Definition von Wertschöpfung und wertvoller Arbeit, wenn Menschen bedingungslos bezahlt werden? Wie muss jemand ausgebildet werden, der potenziell Arbeit verrichtet, die zeitnah automatisiert werden könnte? Wie sollen Maschinen entscheiden, was uns Menschen bislang noch schwerfällt (ethisch, emotional, etc.)? Wie gehen wir mit Maschinen um, die Code schreiben, deren Regeln sie eben erst selbst definiert haben und die kein Außenstehender beherrscht? Gleichzeitig sollten wir den Nutzen und die Freiräume, die Digitalisierung uns Menschen bringen, in keinem Fall bremsen, weil wir skeptisch oder gar ängstlich sind oder so lange warten, bis alle Fragen geklärt sind. Sobald wir Nutzen nachhaltig schaffen und sehen, wird sich vieles auf dem Weg klären.

Eine Botschaft Hararis am Ende des Artikels hat allerdings auch mich kalt erwischt: auf die Frage hin, welches Szenario er für wahrscheinlicher hält, muss Harari sich für das dystopische Bild entscheiden. Warum? Harari bezweifelt, dass wir zu „globaler Kooperation“ fähig sind.
Dies leuchtet mir ein, wenn ich sehe, wie häufig selbst innerhalb eines Unternehmens noch in Silos gedacht und gehandelt wird. Oder wenn wir statt in einer gemeinsam lernenden Netzwerkorganisation in einer von Wettbewerb und Gegeneinander geprägten Struktur am Markt agieren, dazu in einer Welt leben, die Armut und Kriege nicht zu verhindern weiß und über Brexit und Mauerbau diskutiert – nach globaler Kooperation klingt das ganz und gar nicht.

Ein erster Versuch hier nachhaltig etwas in Sachen Digitalisierung und den dazugehörigen Prinzipien zu schaffen, entsteht in diesen Tagen durch das Digital Design Manifest. Und auch wir bei oose leben in unserer offenen und holokratischen Struktur und mit Produkten wie dem Ausbildungsgang „Digitaler Manager und Practitioner“ den Unterschied.